Was 1976 klein und unscheinbar begonnenhat, ist im Laufe der Jahre zu einem festen Bestandteil der Weiterstädter Kulturszene geworden und hat sich auch über die Grenzen unserer Stadt etabliert.

Ich möchte mich auch im Namender städtischen Gremien bei allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die viele Arbeit in den letzten Monaten bedanken, denn ohne das ehrenamtliche Engagement könnte solch eine Veranstaltung nicht stattfinden.

Den Filmemacherinnen und Filmemachern wünsche ich weiterhin viel Mut und Kreativität, denn ohne diese Produktionen könnten wir, liebe Besucherinnen und Besucher, keine Filme am Tännchen anschauen.

Peter Rohrbach
Bürgermeister

Ein großes Jahr, dieses 1997. 21 Jahre Weiterstädter Filmfest, 4 Jahre Rüsselsheimer Filmtag. Macht zusammen 285 Jahre, ein tolles Jubiläum. Jetzt im Ernst: Ist es nicht erstaunlich, wie erfolgreich zwei so dicht und zeitlich eng angesiedelte Veranstaltungen sein können? Zum zweiten Mal in Folge war der Rüsselsheimer Filmtag ausverkauft. Über mangelnde Zuschauerzahlen können sich Jochen Pollitt und seine Weiterstädter Filmfreunde ebenfalls nicht beklagen. Das macht Mut, sich trotz erheblicher Arbeitsbelastung auf die nächsten Festivals zu freuen. Schließlich werden beide Filmfeste ausschließlich von "Feierabendfestivalmachern" organisiert. Von einem Fulltime-Geschäftsführer oder -Organisator können wir alle nur träumen. Aber, wie gesagt, mit seinem großen Interesse macht das Publikum den Veranstaltern das schönste Kompliment, hilft Künstlern, Filmemachern und dem ganzen Genre Film eine Bühne zu bereiten, die in kommerziellen Kinos, Multiplexen und Mega-Cine-Stars kaum eine Chance hätten, aufgeführt zu werden.

Fein ist auch die direkte Beteiligung des Publikums. In Rüsselsheim bestimmen die Besucher, welcher Film den Förderpreis (10.000,- DM) der Cinema Concetta bekommt, in Weiterstadt gibt's jetzt ebenfalls eine Publikumswahl, und das ist doch viel schöner als die Entscheidung einer Jury im Elfenbeinturm zu überlassen. Wir sind das Publikum, wir sagen was gut ist! In diesem Sinne wünschen wir dem 21. Weiterstädter Open Air Filmfest einen wolkenfreien Himmel, beste Laune und wunderbare Filme.

Cinema Concetta Filmförderung

Zum 21. Mal treffen sich Filmemacher, Filmfreunde und erstmals auch ein Filmhirsch im Braunshardter Tännchen, um vier Tage lang dem Medium Film eine einzigartige Bühne zu bereiten. Der rege Zuspruch sowohl von Publikum wie auch von Filmschaffenden und all die wunderbaren eingereichten Filme spornen uns immer wieder dazu an, in vielen Tagen und Nächten ehrenamtlicher Arbeit dieses natürlich auch von uns heiß geliebte filmische Großereignis auf die Beine zu stellen. Bei aller Vorfreude wollen wir aber, bevor wir zu Punkten wie Neuigkeiten auf dem Filmfest, Filmhirsch, Tendenzen der diesjährigen Filme, Programmhighlights, dem allseits beliebten Lehrgang "Wie verhalte ich mich auf dem Filmfest" etc. kommen, ein etwas unerfreuliches Thema voranstellen: die leidige Finanzlage.

In einer Zeit, in der das Geld überall knapper und knapper wird, sind wir natürlich dankbar, dass wir vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst gefördert werden, doch nachdem die Zuschüsse mittlerweile auf 3/5 des in den Jahren 1990-1994 bereits eingefrorenen Betrags zusammengeschrumpft sind mit einer erneuten über 20%igen Kürzung 1997, sehen wir uns gezwungen, gleich zu Beginn dieses Vorworts darauf hinzuweisen, dass wir ein ernsthaftes finanzielles Existenzproblem haben. Der Satz: "Die machendas Filmfest ja sowieso wieder" hat so leider keine Gültigkeit mehr. An dieser Stelle wollen wir uns bei allen Zuschauern bedanken, die uns schon in den letzten Jahren durch ihre Spende geholfen haben, die vorhandenen Finanzierungslücken zu schließen, und weisen darauf hin, dass auch dieses Jahr die Möglichkeit besteht, durch einen freiwilligen Eintritt unsere gröbsten Sorgen zu mildern. Hilfreich ist auch, wenn Ihr Euch auf dem Festivalgelände mit Speis und Trank versorgt! Wir haben wieder versucht, die Preise hierfür angemessen zu gestalten und das Angebot einigermaßen weit zu streuen. Bedenkt, dass der Erlös von allem Verzehr direkt dem Filmfest zufließt. Bedanken wollen wir uns natürlich auch bei unseren Förderern, dem oben erwähnten Ministerium, der Stadt Weiterstadt, allen Anzeigenkunden von Plakat und Programmheft und allen, die uns mit Technik und Arbeitsleistungen unterstützt haben. Trotz aller Unterstützung: für die nächsten Jahre muss sich die Finanzlage radikal ändern, um das Fortbestehen des Filmfests zu sichern.

Vorerst aber findet das Open Air Filmfest Weiterstadt weiter statt - und sogar mit noch ein paar Filmen mehr als in den letzten Jahren. Eine Rekordzahl von Anmeldungen hat dieses Jahr die Sichtungsgruppe weit über 100 Stunden reine Filmlaufzeit (+ endlose Diskussionen) beschäftigt, gefesselt, amüsiert, nachdenklich gestimmt, begeistert: 374 Filme aus 24 Ländern, der kürzeste 15 Sekunden, der längste 112 Minuten (und bis auf fünf Ausnahmen haben wir auch alle Filme brav von Anfang bis Ende angeschaut). 167 davon könnt Ihr Euch nun - ohne Überschneidungen von Parallelprogrammen an unterschiedlichen Orten - anschauenund Euch in einem Film-Marathon davon überzeugen, was die (größtenteils jungen und unabhängigen) Filmemacher großartiges geleistet haben; von manch anderem Film mussten wir uns schweren Herzens trennen: wir denken, dass wir den Überblick behalten haben, auch wenn es sicherlich in der großen großen Menge die eine oder andere Fehlentscheidung gegeben haben mag. Weres nicht geschafft hat, seinen Film rechtzeitig zum Anmeldeschluss fertig zu stellen, hat noch die Chance beim Open-Screening am Samstag: für Filme ab 13:00 Uhr im Kommunalen Kino, für Videos ab 19:00 Uhr im Filmfestcafé auf dem Open-Air-Gelände.

Eröffnen werden wir das Filmfest am Donnerstag-Abend mit einem Film über Schein und Sein, äußere Bilder, Marken und Werte. "Argus", ein Film mit mehreren Ebenen und Wahrheiten, die sich immer wieder brechen, erschien uns als geeigneter Start in vier Tage bewegter Bilder, die uns die unterschiedlichsten realen und surrealen Welten, Ansichten und Ideale nahebringen. Dabei deckt das Programm wieder fast alle Bereiche des Kurzfilms ab: Zeichentrick, Puppen- und Computeranimation, Experimentelles, Dokumentarisches, Romantisches, Komödien, Thriller, Musikclips, Erstlingswerke, Weltpremieren, Kurzspielfilme, "Trash", ja sogar erstmals ein Porno-Musical sind im Programm vertreten.

Erstaunlich viele der eingereichten Filme beschäftigten sich dieses Jahr mit dem Thema Geburt/Babys. Die drei (von etwa 20!), die uns am besten gefallen haben, sind am Donnerstag Abend zu einem kleinen, wunderbaren Themenblock zusammengefasst: "Marias Ei", "Bitte warten" und "Ich freu mich so!". Auch zum Thema Gefängnis/Hinrichtungen fanden sich dieses Jahr überdurchschnittlich viele Filme ein, vier davon haben wir ins Programm genommen, wobei insbesonders "The Oath" für einen heftigen emotionalen Schock sorgt. Schon von den letzten Jahren gewohnt sind wir, dass traditionsgemäß viele Filme das Filmemachen und Fernsehen abhandeln, wobei von Jahr zu Jahr mehr Filme eingereicht werden, in denen Kandidaten in fiktiven Fernsehshows die verschiedensten Aufgaben bewältigen müssen. Nicht immer gelingt es hierbei, sich filmisch vom Fernsehstil zu lösen, aber einige gelungene Beispiele sind ins Programm gekommen (und ein paar auch abgelehnt worden).

An Ländern ist neben Deutschland dieses Jahr Großbritannien besonders stark vertreten. So zeigen wir am Freitag zum Abschluss des Nachmittagsprogramms mit "The Four Last Movements of Verity Iles" und "Eating Bitter" zwei Filme, die uns stark beeindruckt haben, aber leider doch so gute Englischkenntnisse voraussetzen, dass wir sie nicht ins Abendprogramm gesetzt haben. Viele der englischen Filme sind von der "University of Derby", neben Werken von Studenten sind wir stolz darauf, am Sonntag-Abend auch den neuen Film von Tony Hill (Professor an der University) präsentieren zu können: "Laws of Nature" zeigt 25 Minuten lang auf faszinierendste Art und Weise, was man mit Kamerafahrten, Schnitten und Ton alles erreichen kann. Dieser Film ist eines der großen Highlights auf dem Gebiet des Experimentalfilms, wobei wir aber auch Werke wie "Busby", "Whodunit?!", "Endlich Entspannung" und "Auf der Suche nach einem Unbekannten" nicht unerwähnt lassen wollen. Uberhaupt gibt es dieses Jahr einige sehr gelungene Ergebnisse in diesem Genre. Auch eine von zwei wunderbaren Computeranimationen, "Cloison", fällt in diesen Bereich, die zweite, "../karussell/Impr.exe_", versetzt den Betrachter trotz modernster verwendeter Filmtechnik in eine zauberhafte nostalgische Stimmung, wenn ein Kinderkarussell zum Eigenleben erwacht.

Neben Computeranimation sind im Bereich Trickfilm auch Zeichentrick und Stop-Motion-Filme vertreten. Höhepunkt von letzteren ist eindeutig der einstündige englische Beitrag "The Secret Adventures of Tom Thumb", der zwei Tricktechniken verwendet: Puppenanimation und die sogenannte Pixilation, die Animation von menschlichen Schauspielern. Ein skurriler, düsterer Film nach dem Märchen des kleinen Däumling. An Zeichentrick gibt es neben vielen
kurzen witzigen Filmen mit "Shotdown" und "Manhattan" auch zwei Werke, die sich durch einen ganz eigenen Stil auszeichnen.

Auch Freunde des Dokumentarfilms kommen beim diesjährigen Filmfest nicht zu kurz. Auf erschütternde Art und Weise führt uns der Film "Nihos en la via" des Kolumbianers Carlos Bernalin die Welt der Straßenkinder Bogotas ein. Auf das oft verschwiegene Thema der Zwangsprostitution in Konzentrationslagern des dritten Reichs geht der Film "Der Sonderbau" ein. "Oh Mitternacht, oh Sonnenschein" beschreibt das Leben eines Behinderten, der sich weigert, den ihm zugewiesenen Platz in der Gesellschaft einzunehmen. Humor darf im Dokumentarfilmbereich auch nicht fehlen, er ist mit "Und wenn der Lärm vorbei ist, gönnt man sich auch mal ein Glas Limo", einem Film über die Flugzeugspotter der Welt, bestens vertreten. Eine Weltpremiere im Dokumentarfilmbereich stellt schließlich der Film "Vom Schwein" von Bernd A. Kaiser und Carola Gotta dar, die schon vor zwei Jahren mit "Traum vom Fliegen" für Furore sorgten. (Auf alle Deutschland- und Weltpremieren auch in den anderen Genres einzugehen, würde den Rahmen dieses Vorworts sprengen.)

Nach wie vor den größten Programmteil nehmen Kurzspielfilme ein. Spannend wird es gleich am ersten Abend. Der optisch brillant inszenierte Thriller "Kalter Schlaf" (wohl auch einer der längsten Kurzfilme im Programm) wird wohl keinen Zuschauer zum Schlafen verleiten. Genauso packend: aus Kanada "Stroke". Einen Supermarktüberfall eher humorvoll verarbeitet hingegen diem turbulente Komödie "Schatten der Vergangenheit". Hier kommen dem Räuber ebenso wie am Samstag in "Life Is Too Short To Dance With Ugly Women" die Frauen im Supermarkt in die Quere. Im Nachmittagsprogramm sind zwei Filmemacher gleich mit mehreren Filmen besonders auffällig: Andre Jagusch, der sich auf den Showdown in den unterschiedlichsten Varianten konzentriert, sowie die Brüder Gosejohann mit ihren herrlich durchgeknallten Parodien wie "Master of the Fist" und "Im Angesicht ihrer Majestät". Hier kommen die Splatterfreunde ebenso auf ihre Kosten wie bei den Offenbacher Kultfilmern "Freax", die wieder mit neuen Werken im Programm vertreten sind. Sie sind ebenso schon zu einem festen Bestandteil des Filmfests geworden wie die Präsentation der diesjährigen Preisträgerfilme aus Rüsselsheim, die wieder am Sonntag um 22 Uhr über unsere Leinwandflimmern werden. Die Moderation hierzu wird von Michael Kirchberger von der Cinema Concetta Filmstiftung übernommen.

Apropos Preisträger: das Open Air Filmfest Weiterstadt ist auf den Hirsch gekommen. Nachdem sowohl Quantität wie auch Qualität der Super-8-Filmeinreichungen endlich wieder deutlich gestiegen sind, haben wir entschieden, diesem von der Industrie als tot erklärtem, doch von vielen Enthusiasten aufrecht erhaltenem Format einen eigenen Filmpreis zu widmen. Die für diesen Preis nominierten Filme werden am Samtag Abend ab 22:00 Uhr dem Publikum zur Bewertung vorgestellt, die Stimmzettel hierzu finden sich auf den letzten Seiten dieses Programmhefts. Werft bitte nach dem Wettbewerbsblock die Stimmzettel bis spätestens 24:00 Uhr in die dafür bereitgestellten Kästen, da wir die Preisvergabe noch in der selben Nacht vor dem langen Spielfilm durchführen wollen. Entsprechend unserem Budget und der Tatsache, dass es uns hauptsächlich um den Spaß am Film und die Huldigung des Formats, mit dem unser Filmfest vor 21 Jahren begonnen hat, geht, wird dies kein hochdotierter Preis sein, sondern einfach etwas Filmmaterial, um die Produktion weiterer Super-8-Filme zu erleichtern; das die Firma Kodak AG freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Und natürlich die extra für diesen Zweck von uns entworfene Statue: der Weiterstädter Filmhirsch.

Man fragt sich, wie kommt Weiterstadt eigentlich auf den Hirschen? Wer dazu eine Antwort haben möchte, muss in der Nacht vom Freitag auf Samstag lange wach bleiben und aufpassen, denn da läuft der Kultfilm "XAVER - mein außerirdischer Freund". Zu diesem Film erwarten wir auch Regisseur Werner Possardt, die Darsteller und eine Menge Hirsche aus der Gegend.

Nicht nur, um den Hirschen ihre Existenz in der natürlichen Umwelt zu erhalten, bitten wir Euch auch dieses Jahr wieder, das Festival-Gelände möglichst sauber zu halten. Zur Müllentsorgung stehen genügend Behälter zur Verfügung. Und denkt bitte an die Hirsche und die Anlieger und vermeidet deren Belästigung durch Lärm. Die dritte und ebenso wichtige Regel: außerhalb des Platzes im Braunshardter Tännchen ist absolutes Rauchverbot - auch auf dem Campingplatz. Kein Verbot, doch eine dringende Bitte: keine Hunde mitbringen! Die Zufahrtwege für Rettungsdienst und Feuerwehr müssen frei bleiben, bitte auf den ausgewiesenen Parkplätzen parken - und mit so wenig Autos wie möglich kommen. Für die Einhaltung dieser Bitten und Regeln werden Euch die Filmfest-Mitarbeiter und -Helfer, die Feuerwehr und die Einwohner Weiterstadts sehr dankbar sein.

Genug der Pflicht, auf ins Vergnügen: vier Tage lang Filmvergnügen pur. Wir danken allen Filmemachern für ihre Arbeit, entschuldigen uns bei allen, deren Filme wir aus zeitlichen Gründen leider ablehnen mussten. Wir denken, es wird wieder ein schönes Filmfest bei hoffentlich schönem Wetter, doch wappnet Euch auch gegen Regen: das Filmfest findet bei jeder Witterungslage Open Air statt.

Wir wünschen Euch allen ein wunderschönes Filmfest 1997!
Euer Filmfestteam

P.S.: Noch ein Tipp zum Schluss: Von den langen Spielfilmen möchten wir Euch noch unseren Donnerstag Abend Film besonders ans Herz legen. "Mein geheimer Garten" ist eine rasante japanische Komödie über eine Frau, die für Geld jedes Risiko eingeht und war schon auf der diesjährigen Berlinale einer der absoluten Höhepunkte.